Historische Unterlagen an Geschichtsverein übergeben : Das Erbe der singenden Männer von Alsdorf ist gesichert
Alsdorf Den Männergesangverein MGV Alsdorf gibt es seit dem 19. Jahrhundert, doch es mangelt an Nachwuchs. Der MGV Polyhymnia Mariadorf wurde deshalb bereits aufgelöst. Um die Geschichte zu wahren, sind ihre Archive an den Geschichtsverein übergeben worden.
Blickt man über einen längeren Zeitraum in Versammlungsprotokolle oder Chroniken von Musikvereinen, kann man daraus viel über die Veränderung der Gesellschaft und die Geschichte des eigenen Volkes lernen.
Nehmen wir den Männergesangverein (MGV) Alsdorf. Der (eigentlich erste Vorgänger-)Verein wurde 1858 gegründet. Er ist mithin der älteste, der auf Alsdorfer Stadtgebiet noch existiert. Die jeweiligen Transformationen von damals bis heute – von Preußen-Herrschaft im Rheinland über Gründung des neuen Deutschen Reiches mit seinen Verfassungsformen Kaisertum, Weimarer Republik und NS-Führerstaat bis zur heutigen Bundesrepublik Deutschland – lassen sich gut an den gesammelten Dokumenten aus dem Vereinsbüro nachverfolgen.
Das Dokumentenarchiv befand sich bis vor kurzem in der Wohnung des inzwischen verstorbenen ehemaligen Vorsitzenden Rudi Wesner. Und da „wir inzwischen alle keine jungen Burschen mehr sind und nicht wissen, wie es weitergeht“, erklärt Vorsitzender Karl-Peter Schroeder, hat der MGV sein eigenes Archiv dem Alsdorfer Geschichtsverein in der Burg übergeben. Samt schmucker alter Vereinsfahne, welche früher den jeweiligen Konzertraum der Sängergemeinschaft schmückte.
Geschichtsvereins-Archivar Eberhard Malecha freut die frühe Übergabe. „So wird vermieden, dass das Archiv des Vereins einmal zersplittert wird und nicht mehr in Gänze einsehbar ist.“
Der MGV Alsdorf wurde 1858 unter dem Namen „Männergesangverein Borussia“ gegründet. Nicht nur berühmte Fußballclubs am Niederrhein und in Westfalen nahmen nach der Übergabe des Rheinlandes an Preußen diesen lateinisierten Namen an. Denn „Borussia“ heißt nichts anderes als „Preußen“. Aus dem Alsdorfer Turnverein ging dann 1910 eine zweite Alsdorfer Sängerschar hervor, die sich Männergesangverein Alsdorf nannte.
„Personell war das lange Jahre der Männerchor des St. Castor-Kirchenchores“, greift Karl-Peter Schroeder in die Historie. Zu der gehört auch, dass es nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 zur Zwangsvereinigung der beiden Männerchöre unter dem heutigen Namen „Männergesangverein Alsdorf“ kam. Der totalitäre Durchdringungs-Willen der neuen Machthaber zeigte sich im Ausschluss der jüdischen Sänger und in der Installation eines „Vereinsführers“ anstatt des zuvor demokratisch gewählten Vorsitzenden.
Jener unterschrieb dann auch die Protokolle mit dem „Deutschen Gruß“ – bis 1936. Denn ab diesem Zeitpunkt und bis zur Wiedergründung des Vereins gleich nach dem Zweiten Weltkrieg sind weitere Vereinsprotokolle verschwunden. Das gleiche gilt für diesen Zeitraum für den MGV Polyhymnia in Mariadorf. Es war wohl keine eigene Reinwasch-Aktion der Vereine.
Ähnlich wie beim Abtransport von städtischem Archivgut durch die Amerikaner in unserer Region wurden hier wohl bewusst Seiten aus der „braunen Zeit“ konfisziert, um nach Belastendem zu fahnden, um radikales Gedankengut unter Verschluss zu halten. Im Besitz des Geschichtsvereins-Archivs befinden sich auch bereits Unterlagen des früheren MGV Hoengen. Auch dort auffallend: Wie im MGV Alsdorf gab es dort treue jüdische Mitsänger. Nach 1933 tauchen die Namen Weill und Lucas aber in den Vereins-Aufzeichnungen nicht mehr auf.
Und noch einen Zuwachs hat der Archivar aus der Hand des Vorsitzenden Hans Kurz und seinen Mitstreitern bekommen: Protokolle, Plakate und Fahnen des MGV Polyhymnia Mariadorf. Der frühere „EBV-Werkschor“ von 1881 mit dann 141-jähriger Tradition war zuletzt zahlenmäßig geschrumpft und kürzlich schließlich aufgelöst worden. Aber er lebt weiter: Einige Sänger aus Mariadorf und Blumenrath haben sich dem MGV Alsdorf angeschlossen – gerade im Männerchor-Wesen machen Fusionen in heutiger Zeit großen Sinn.
Die Vergangenheit der Polyhymnia lebt fort, wenn man im Archiv des Geschichtsvereins in die Akten eintaucht. Das könnte zum Beispiel interessant sein für Schüler und Studenten, die anhand lokaler Studien die Geschichte Deutschlands in den letzten eineinhalb Jahrhunderten entdecken möchten.
Archivar Eberhard Malecha freut sich über den Zuwachs an interessantem und gut erhaltenem Material. Wenngleich damit gleich wieder ein Teil der kürzlich neugewonnenen freien Fläche in der Burg gefüllt wird. Denn, so Malecha: „Die Protokolle, Plakate, Fahnen und Festschriften der Männerchöre sind ein Schatz der Erinnerung. Gut, dass wir ihn gebündelt hier zur Einsicht und Bearbeitung haben!“